Unterricht auf den Rücken der Islandpferde
Elisabeth-Selbert-Schule kündigt Kooperation mit Pferdehof am Friedrichstein an
Mila, Sveinn und Áltadans trotten gemütlichen Schritts über den Friedrichstein. Hinter ihnen taucht die Sonne den Gipfel des Bärenbergs in gleißendes Licht. Ein Panorama wie aus dem Bilderbuch. Die eisigen Temperaturen machen ihnen rein gar nichts aus – warum auch, scheint das raue Klima oberhalb von Zierenberg bei den Isländern doch so etwas wie Heimatgefühle zu wecken. Die struppigen Wuschel-Mähnen, unter denen ihre großen Augen mit wachem, freundlichem Blick hervorschauen, lassen die Pferde besonders putzig aussehen, was bei Franka Gers, Angelina Dzaja und Tabea Breßler wahre Begeisterungsstürme auslöst. „Oh Gott, sind die süß“, rufen die Elisabeth-Selbert-Schülerinnen verzückt im Chor, als sie die Vierbeiner am Pferdehof von Saskia Rüffert besuchen. Bald schon wollen sie im Rahmen des Ganztagsangebots ihrer Schule regelmäßig zum Reiten kommen und werden ihre Mitschüler nach der ersten Stippvisite garantiert mit ihrer Euphorie anstecken.
Munter drehen die drei Freundinnen Runde um Runde auf der großen Reitbahn, genießen dabei den Blick auf schier unendliche Weiten, der auch Pferdehofbesitzerin Rüffert immer wieder aufs Neue fasziniert. „Das ist ein einzigartiger Ort mit einer ganz besonderen Stimmung“, schwärmt die 31-Jährige, die sich 2016 mit dem Projekt „Islandpferde vom Friedrichstein“ und ihrem Hof einen Kindheitstraum erfüllt hat. Rund eine Million Euro hat sie investiert und ein Paradies geschaffen, in dem sie sich mit ihrer Familie und den sieben Mitarbeitern „einfach nur wohlfühlt“.
Dabei war der Start alles andere als harmonisch und der Gegenwind der Anwohner groß, die negative Auswirkungen auf die Landschaft am Dörnberg fürchteten. „Da brauchten wir gute Nerven, einige haben es uns wirklich nicht leicht gemacht“, erinnert sich die angehende Pferdewirtschaftsmeisterin, die nun umso glücklicher ist, dass sich die Wogen geglättet haben. Sie könne sich keinen besseren Ort für sich und die 75 Islandpferde vorstellen, die hier mittlerweile zuhause sind, sagt die gebürtige Kasselerin, die sich mit ihrem Team neben der Zucht auf klassischen Reitunterricht, individuelle Reittouren sowie Angebote für Kinder und Jugendliche konzentriert.
Dass es ihr ausgerechnet Islandpferde angetan haben, liegt am „ausgeglichenen, aber dennoch leidenschaftlichen“ Charakter der beliebten Rasse, die auch zu Therapiezwecken genutzt wird und sich bestens für Schulprojekte eignet. Und genau da knüpft nun das Projekt mit der Elisabeth-Selbert-Schule an. „Wir planen im nächsten Schuljahr, ein bis zweimal pro Woche im Rahmen des Ganztagsangebots mit maximal 15 Schülern pro Gruppe den Islandpferdehof zu besuchen“, sagt Lehrerin Nadine Bernecker, die für Mai bereits ein Schnupperreiten in Kooperation mit den Grundschulen ankündigt. Zahlreiche soziale Fähigkeiten von Zuverlässigkeit über Pflichtbewusstsein und Rücksichtnahme bis hin zu Teamfähigkeit, Fleiß und Empathie würden durch das Reiten gefördert. „Das Wichtigste ist, dass die Kinder lernen, Verantwortung für ein anderes Lebewesen zu übernehmen“, so Bernecker. Auch gesundheitlich sei das Reiten für jüngere Kinder und gestresste Teenager gut, „gerade wenn sie für die Schule viel lernen müssen und Nachmittage über die Bücher gebeugt verbringen“. Reiten nämlich kräftige die Rückenmuskulatur, richte das Becken auf und beuge so Haltungsschäden vor – auch das sei ein wichtiger Aspekt des neuen Ganztagsschulenangebots, und wenn das in einigen Monaten offiziell startet, werden sicher auch Mila, Sveinn und Áltadans wieder gemütlichen Schritts über den Friedrichstein trotten, dann aber hoffentlich bei angenehmeren Temperaturen.