von Sascha Hoffmann
Zierenberg – Die Zierenberger Elisabeth-Selbert-Schule (ESS) startet mit einer guten Nachricht ins zweite Halbjahr. „Uns liegt der positive Bescheid zu unserem Antrag auf Einführung einer gymnasialen Eingangsklasse G5 vor“, freut sich Lars Grenzemann, der als neuer Schulleiter vor gut zweieinhalb Jahren nach Zierenberg kam, als die Vorbereitungen zu diesem „wichtigen Schritt“ längst angelaufen waren.
Seit 2016 hatten Förderstufenleiterin Karin Neusüß und ihre Schulleitungskollegen das Bestreben, an der Zierenberger Gesamtschule neben der bestehenden Förderstufe eine gymnasiale Eingangsklasse zu installieren. „Wir haben das Projekt immer wieder verschoben, weil wir zunächst die Neigungsschwerpunkte zur Profilschärfung unserer Schule einführen und entsprechend schauen wollten, inwieweit die bei der Schulgemeinde ankommen, vor zwei Jahren hat sich dann unserer Schulleitungsteam neu aufgestellt, was wir erst einmal abwarten wollten.“ Nun sei die ESS in ruhigeren Fahrwassern angekommen und der Zeitpunkt reif, den lang vorbereiteten Plan samt umfangreichem Konzept endlich umzusetzen. Besonders stolz sei sie, dieses zukunftsweisende Projekt im von Corona geprägt schwierigen Schuljahr hinbekommen zu haben. „Ich bin überzeugt, dass sich all die Mühen auszahlen werden, unsere umfangreichen Erhebungen innerhalb der Elternschaft jedenfalls haben mehr als deutlich gezeigt, dass auch in und um Zierenberg der Wunsch ganz klar hin zum gymnasialen Angebot geht.“
Die ESS zieht so mit mit der Christine-Brückner-Schule im Bad Emstaler Ortsteil Sand und der Walter-Lübcke-Schule in Wolfhagen gleich, sodass ab dem nächsten Schuljahr alle weiterführenden Schulen im Wolfhager Land ihren Schülern ab der Jahrgangsstufe fünf eine gymnasiale Schullaufbahn ermöglichen. „Wir gehen davon aus, dass unsere erste gymnasiale Klasse im neuen Schuljahr nicht sehr groß werden wird, was in der Betreuung und Gestaltung des Unterrichts für die Jugendlichen viele weitere Vorteile mit sich bringen wird“, so die Lehrerin, die es gar nicht abwarten kann, die ersten Gymnasiasten der ESS zu begrüßen. Neusüß: „Nun ist das Angebot schulischer Möglichkeiten auch in Zierenberg komplett mit einer gymnasialen Eingangsklasse direkt vor der Haustüre.“
(HNA Artikel vom 30.01.2021, zhf/Foto: zhf)

Karin Neusüß

Freut sich nicht nur über gute Noten, sondern auch über die Tatsache, dass er trotz Corona sein Zeugnis abholen konnte: ESS-Schüler Arne Gers aus Zierenberg.
Von Sascha Hoffmann
Zierenberg – Außergewöhnlich früh beginnt der letzte Tag des ersten Halbjahres an der Zierenberger Elisabeth-Selbert-Schule. Es ist gerade einmal kurz nach sechs, als es gestern am Fenster von Schulleiter Lars Grenzemann klopft und die erste Mutter erwartungsvoll ins hell erleuchtete Büro blickt. Sie ist auf dem Weg zur Arbeit schnell vorbei gekommen, um das Halbjahreszeugnis ihres Kindes abzuholen. „Wie elf weitere Familien hatte sie ihren Besuch im Vorfeld angekündigt“, berichtet Grenzemann, während er auch schon im nächsten Gespräch ist, diesmal mit einer landesweit sendenden Radiostation. Was an der Gesamtschule des Warmestädtchens gerade abläuft, ist schließlich nichts Alltägliches, und das hat – wie schon viele andere ESS-Aktionen seit Beginn der Corona-Pandemie – das öffentliche Interesse geweckt. Während die meisten anderen Schulen mit der Ausgabe ihrer Zeugnisse auf den Wiederbeginn des Präsenzunterrichtes warten, haben sich Grenzemann und Kollegen mit ihrem Zeugnis-Drive-In bewusst für einen anderen Weg entschieden, um „einen Schlussstrich unter das erste Halbjahr zu setzen und ein Signal zu geben, dass es weitergeht“.
Das Signal scheint zu wirken, ab Punkt acht Uhr nämlich ist rund um die Gesamtschule so viel Leben, wie seit vielen Wochen nicht. Im Minutentakt fahren Autos nach ausgeklügeltem Zeitplan vor, werden von Schülern in orange-farbenen Warnwesten eingewiesen. „Einmal rund ums Gebäude fahren, die entsprechenden Klassen sind ausgeschildert“, hört man es immer wieder durchs Morgengrauen schallen. Wie in Drive-In-Restaurants reihen sich die Fahrzeuge vor den entsprechenden Fenstern ein, wo die Klassenlehrer schon auf sie warten. Bestellungen müssen keine aufgegeben werden, was serviert wird, ist allen klar: die Noten des ersten Halbjahres. Und obwohl da Lernen im Ausnahmezustand angesagt war, können sich die Ergebnisse sehen lassen. „Ich bin mehr als zufrieden“, freut sich Schulleiter Grenzemann und zeigt stolz eine Notenliste, die er fertiggestellt hat, nachdem er sich alle knapp 400 Zeugnisse persönlich angeschaut und unterschieben hat. „33 Mädchen und 31 Jungen haben einen Schnitt von zwei und besser, verglichen mit dem ersten Halbjahr 2020 ist das eine deutliche Steigerung.“ Er wird nicht müde, eben das immer und immer wieder auch seinen Schülern zu sagen. Das persönliche Gespräch, so der Schulleiter, sei ihm und seinen Kollegen ungemein wichtig, gerade nach Wochen des Distanzunterrichts.
So geht es ganz offensichtlich auch den Schülern, die ab 8 Uhr rund um die Schule mit ihren Zeugnismappen anzutreffen sind, voller Freude, ihre Lehrer einmal wiedergesehen zu haben. Ob ein „toll gemacht“ für die guten Zensuren oder ein „da musst du noch eine Schippe drauflegen“ – die Botschaften kommen an, wie auch die Idee des Drive-In. „Ich finde es super, was sich unsere Lehrer haben einfallen lassen“, schwärmt etwa Arne Gers als einer der ersten an den Drive-In-Fenstern der Klassenlehrer, die so eine außergewöhnliche Zeugnisübergabe zum Ende eines außergewöhnlichen Schulhalbjahres möglich gemacht haben.
(HNA Artikel vom 30.01.2021)

Zeugnis durchs Fenster: der Oberelsunger Nico Kitta (von links) mit Klassenlehrer Björn Zimmermann und Schulleiter Lars Grenzemann.

Zeugnisübergabe in Coronazeiten: Franka Gers bekommt nicht nur ihr Zeugnis, sondern auch ein paar persönliche Worte von Klassenkehrer Björn Zimmermann serviert.

(HNA Artikel vom 23.01.2021)


HNA-Artikel vom 21.01.2021

Zierenberg – Wenn Sofia Ledderhose auf das ablaufende Jahr zurückblickt, denkt sie vor allem daran, wie sich durch Corona ihr Leben verändert hat. „Es ist alles anders“, sagt die 14-Jährige, die eigentlich ihre Konfirmation feiern und kurz drauf zur langersehnten Reise nach England aufbrechen wollte. Der größte Einschnitt jedoch sei während der ersten Viruswelle das Verbot gewesen, zur Schule zu gehen. „Echt krass, ich hätte nie gedacht, dass ich mich jemals über freie Tage beklagen und die Schule vermissen würde“, sagt die Schülerin der Zierenberger Elisabeth-Selbert-Schule (ESS) und hat das genau so auch in ihrem Beitrag für den 19. Nordhessischen Literaturpreis geschrieben. Der „Holzhäuser Heckethaler“ will deutsch schreibende literarische Talente aufspüren und fördern, unterstützt von der Stadt Immenhausen, mehreren Sponsoren und neun Juroren, die Sofia in diesem Jahr auf den zweiten Platz in der Kategorie 14 bis 29 Jahre gewählt haben. Und das hat die Fürstenwalderin irgendwie auch Corona und dem lästigen Homeschooling zu verdanken, ohne diesen Ausnahmezustand nämlich hätte sie wohl vom Wettbewerb nicht einmal etwas erfahren. „Meine Mutter checkte regelmäßig das Schulportal und die Homepage der Schule, um mich mit Aufgaben zu stressen, wie auch mit dem Link zu diesem Schreibwettbewerb“, lässt Sofia die Leser ihres preisgekrönten Textes mit dem Titel „Elisabeth“ wissen. „Dabei hatte ich eigentlich keinen Bock drauf, zumal ich ja nicht so antik bin wie meine Eltern und schon zig Jubiläen gefeiert habe, über die ich schreiben kann.“
„Jubiläum“ war das vorgegebene Thema, über das Sofia zu Elisabeth Selbert kam, der Namensgeberin ihrer Schule. „Meine Mutter nervte mich und fragte ständig nach, welches Jubiläum denn letztes Jahr an der Schule gefeiert worden wäre, das müsste ich ja schließlich noch wissen“, berichtet das junge Schreibtalent. „Nee, wusste ich nicht mehr.“ Also habe sie ihre Gedanken um ein ganzes Jahr zurückgespult, als es in einer Gruppenarbeit darum ging, etwas über das Leben von Elisabeth Selbert herausfinden und ein Plakat zu machen. Der Bezug zum Wettbewerbsthema war da schnell gefunden. „Meine Schule feierte 2019 den 70. Jahrestag des Gleichberechtigungsgrundsatzes von Elisabeth Selbert im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland“, sagt Sofia, die zumindest anfangs noch lieber über Sängerin Billie Eilish geschrieben hätte. „Die ist wirklich cool, aber Elisabeth Selbert?“ Herausgefunden hat sie dann aber doch eine ganze Menge, nichts jedoch, was sie selbst sprachlich angesprochen hätte. Also stellte sie die Politikerin und Juristin, die als eine der Mütter des Grundgesetzes gilt, kurzerhand in der für sie typischen Jugendsprache vor. Das hat am Ende nicht nur der Jury gefallen, die die Arbeit mit dem zweiten Platz und 300 Euro würdigte, sondern auch Sofia selbst, die in ihrer erfrischenden Art und Weise auf den Punkt bringt, was man so bislang in noch keinem Text über Selbert gelesen hat: „Echt cool, die Emanze Elisabeth.“
(Artikel und Foto von Sascha Hoffmann, Dezember2020)
BU: Freuen sich gemeinsam über den Erfolg beim Nordhessischen Literaturpreis: Sofia Ledderhose und Schulleiter Lars Grenzemann vor einem Bild der „coolen Emanze“ Elisabeth Selbert.

Nachdem nach den Sommerferien erst einmal lange der eigentliche Unterricht im Vordergrund stand, hat sich die Klasse G9 aber jetzt endlich einmal Zeit nehmen können für das Putzen der Zierenberger.

Nach der Recherche eines Schicksals einer Zierenberger jüdischen Familie und der Verlegung der Stolpersteine zu ihrem Gedenken im Jahr 2017 hat die Elisabeth-Selbert-Schule die Pflege aller Zierenberger Stolpersteine übernommen. Mindestens zweimal im Jahr ziehen Schülerinnen und Schüler mit Eimern, Gießkannen und Putzlappen los, um die Steine wieder auf Hochglanz zu bringen.

Seit diesem Schuljahr ist damit die Klasse G9 betraut, also machten sich Schülerinnen und Schüler am Dienstag, den 03.11.20 gemeinsam mit ihrer Lehrerin K. Neusüß auf, um die Steine rechtzeitig zum Tag des Gedenkens an die Reichspogromnacht am 09.11.1938 wieder erstrahlen zu lassen.

Dankbare Mitglieder der AG Erinnerungskultur nahmen die Schülerinnen und Schüler am Marktplatz in Empfang und zeigten, wie man die Steine schnell wieder sauber bekommt. In Gruppen eingeteilt, dauerte es dann keine Stunde, und alle Zierenberger Stolpersteine glänzten wieder. Begleitet von den AG-Mitgliedern tauchten die Schülerinnen und Schüler beim Putzen auch in die Biografien der Menschen ein, für die ein Stein verlegt wurde. Stolz kehrten sie anschließend wieder in die Schule zurück, mit dem Wissen, einen wichtigen Beitrag für Vielfalt, Toleranz und Anti-Rassismus geleistet zu haben.

 

Artikel und Bilder von Karin Neusüß