ESS-Schüler hautnah bei der Stolperstein-Verlegung
(Foto von HNA)
Am Mittwoch, den 14.09.16 wurden in Zierenberg im Rahmen einer Feierstunde 22 Stolpersteine verlegt, die an das Schicksal von 22 jüdischen Zierenberger Bewohner erinnern sollen.
Die Aktion „Stolpersteine“ hatte der Künstler Gunter Demnig im Jahr 1990 ins Leben gerufen. Sie hat das Ziel, das Gedenken an Menschen wach zu halten, die in der Zeit des Nationalsozialismus durch Flucht, Deportation und Ermordung aus unserer Gesellschaft verschwanden. Zu diesem Zweck werden Steine mit einer Messingplatte in das Pflaster der Bürgersteige vor dem letzten selbstgewählten Wohnsitz von ehemals jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern verlegt. Inzwischen liegen Stolpersteine in 1099 Orten in Deutschland und in zwanzig weiteren europäischen Ländern. Verantwortlich für die Aktion „Stolpersteine“ in Zierenberg ist die Arbeitsgemeinschaft „Erinnerungskultur Zierenberg“, die sich vor zwei Jahren gegründet hat. Unter Vorsitz des ehemaligen Zierenberger Pfarrers Wicke haben die Mitglieder der AG intensiv das Leben und das Schicksal der betroffenen Menschen und ihrer Familien recherchiert. So sind Kurzbiografien von fünf jüdischen Familien entstanden, die vor ihrer Deportation in Zierenberg gelebt haben. Die Klasse G10a der Elisabeth-Selbert-Schule hat sich mit ihrer Religionslehrerin K. Neusüß und ihrer Geschichtslehrerin M. Kunter im Vorfeld mit dieser Aktion auseinandergesetzt. Man informierte sich über den Künstler, die Bedeutung der Steine und eine exemplarische Biografie.
Am Mittwoch waren die Schülerinnen und Schüler dann sehr gespannt, wie die Verlegung der Steine wohl ablaufen würde. Gemeinsam mit ihrer Religionslehrerin machte sich ein großer Teil der Klasse nach der Schule auf zum Zierenberger Marktplatz. Nach einer eindrucksvollen Begrüßung von Pfarrer Wicke, Bürgermeister Denn und Pfarrerin Rahn wurden hier von Gunter Demnig die ersten Steine verlegt. Die feierliche und würdevolle Atmosphäre stimmte die Schülerinnen und Schüler sehr nachdenklich, und die erste Biografie der Familie Lamm, die damals im heutigen Rathaus wohnte, berührte sie sehr. Am meisten ging den Schülerinnen und Schülern dann aber die Verlegung der Steine vor dem Haus Burgstraße 32 unter die Haut. Hier lebte einst Ilse Kaiser mit ihren Eltern und ihrem Bruder Rudi. Der Vater wurde in Ausschwitz ermordet, die Mutter in einem anderen Konzentrationslager, der Bruder starb auf dem Todesmarsch kurz vor der Befreiung durch die englische Armee. Ilse überlebte als einzige ihrer Familie, kehrte nach Zierenberg zurück, wurde vor ihrem ehemaligen Wohnhaus aber abgewiesen. Im Rahmen der Stolpersteinverlegung kehrte Ilse Tzur, wie sie jetzt verheiratet heißt, am Mittwoch an diesen Ort zurück. Ihr Sohn und ihre Enkeltochter verlasen bewegende Briefe, in denen sie das Schicksal ihrer Mutter und Großmutter schilderten, aber auch ihrer Bewunderung für die tapfere Dame Ausdruck verleihten. Neben Ilse standen die Schülerinnen und Schüler dann an den Steinen und gedachten der Opfer.
Für die Schülerinnen und Schüler bekamen die Greueltaten der Nationalsozialisten somit ein Gesicht. Sie sind einhellig der Meinung, dass die Verlegung der Stolpersteine eine sehr gute Aktion ist, der Menschen zu gedenken und Geschichte anfassbar und begreifbar zu machen.