Wenn der Tod den Traum einholt
Nellie Goodbye: Theateraufführung mit Gänsehauteffekt
Dass Andrea Ortolano anfangs
eigentlich keine große Lust verspürt hatte, die Leitung eines
Theaterprojekts an der Elisabeth-Selbert-Schule zu übernehmen, ist
spätestens seit Montagabend Schnee von gestern, denn für die
gefürchteten regelmäßigen Fahrten aus Kassel zur Zierenberger
Gesamtschule wurde die auch als Märchenerzählerin bekannte
Künstlerin mehr als entschädigt.
Im Rahmen des Wahlpflichtunterrichts hatte sie mit Schülern der
Jahrgangsstufen neun und zehn über Monate hinweg das Stück „Nellie
Goodbye“ von Lutz Hübner einstudiert, das nun in der rappel vollen
Aula in die Welt der Jugend von heute führte. Obwohl eine
Darstellerin kurzfristig ausgefallen war, überzeugten die Schüler
mit viel Witz, allen voran Roman Welker als Jack und als dessen
Gegenspieler Niko der urkomische Sebastian Wiese, der mit seiner
ureigenen Art zu Spielen die meisten Lacher des Abends auf seiner
Seite hatte.
Die jungen Schauspieler erzählten die Geschichte von Nellie,
dargestellt von Vanessa Radtke, und ihren Freunden, die den Traum
vieler Jugendlicher tatsächlich leben: als umjubelte Band zwischen
Scheinwerfer und Bravo-Titelstory. Ihr großes Ziel ist der
Bandwettbewerb Mudshark. Doch das Schicksal will es anders. Nellie
bricht während einer Probe zusammen. Ein Arztbesuch bringt die
traurige Gewissheit, ein Tumor macht sich in Nellies Körper breit,
dringt auf die ein oder andere Art auch in den Proberaum der
aufstrebenden Band ein, die sich vor einer Zerreißprobe sieht.
Lutz Hübners Stück konfrontiert seine Charaktere mit einer
Situation, die ihnen keine Fluchtmöglichkeit lässt und die sie zu
Auseinandersetzungen mit der eigenen Hilflosigkeit zwingt. Vor den
Bandkollegen steht plötzlich ein Mensch, der mal die gute Freundin
Nellie war, es irgendwie aber nicht mehr ist. Den Umgang mit dem
Unfassbaren müssen die Teenager erst lernen, sich dabei die Frage
stellen: Wie definiert sich Freundschaft im Angesicht des Todes? Die
Geschichte, die in bestechender Geradlinigkeit das Scheitern eines
großen Traumes an der nüchternen Realität erzählt, endet mit Nellies
Tod und den zurückbleibenden Freunden, die ihre Angst und
Hilflosigkeit überwinden müssen. Eindrucksvoll das von Ortolano
inszenierte Finale: Nellie kehrt als Engel inmitten ihrer Freunde
zurück, untermalt durch einen Gänsehautauftritt von Tameur
Abderrahmame an Gitarre und Gesang, dessen „Halleluja“trotz oder
gerade wegen seiner Schwere direkt in tosendem Applaus mündete.
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