Und auf einmal
steht es neben dir ...
Eine Skizze mit
Gedichten – Texten - Bildern
von
Joachim Ringelnatz
|
Sprecher: Horst Keitel
Musikbegleitung: Diethart Rindermann |
Ringelnatz-Abend in
der ESS überraschte mit Versen für Kinder und Gedichten der
Todessehnsucht
Hier könne man einem anderen Ringelnatz begegnen, als dem, der uns
mit Ulk und Nonsensversen, und als Seemann Kuddeldaddeldu aus dem
Lesebuch oder der Gedichtsammlung gegenwärtig ist. Dieses
Versprechen gab Horst Keitel zu Beginn der Veranstaltung den etwa 60
Besucherinnen und Besuchern, die der Einladung des Fördervereins der
Elisabeth-Selbert-Schule gefolgt waren - und die nicht enttäuscht
wurden. Sie lernten Ringelnatz alias Hans Bötticher wirklich im
Laufe des Abends überraschend von ganz anderen Seiten kennen.
Natürlich gab es auch die schwarzhumorigen
Balladen und
Moritaten, mit denen Ringelnatz in den 1920ern und 1930ern
auf der Kabarettbühne auftrat. Die machten ihn dann so bekannt, dass
er, der selbst zur See gefahren war, oft mit seiner Kunstfigur des
Seemanns Kudeldaddeldu gleichgesetzt wurde. In dieser Rolle konnte
Horts Keitel nicht nur sein beeindruckendes sprachliches Können
unter Beweis stellen, sondern sein darstellerisches Talent kam zur
Freude des Publikums ebenfalls voll zur Geltung. Der Beifall galt
auch Diethart Rindermann, der an diesem Abend die Rezitationen
einfühlsam und virtuos auf der Gitarre begleitete und selbst das
eine oder andere passende Lied beisteuerte. Das Besondere des
Abends war, dass Horst Keitel nicht nur Gedichte aus jeder
Schaffensphase von Ringelnatz vortrug. Seine Auswahl hatte auch
immer etwas über den Dichter selbst in der aktuellen Situation und
der Gefühlswelt seines buntem, wechselvollem, oft von Rückschlägen
begleiteten Lebens mitzuteilen. Wenig bekannt für viele Besucher
waren die Beispiele seiner malerischen Aktivitäten. Zeichnen, Malen,
Schreiben und Rezitieren waren Äußerungen seines Künstlertums, das
allerdings nicht bei allen Zeitgenossen Anerkennung fand.
Überraschend die thematische Spannweite seiner Dichtungen, die Hort
Keitel verdeutlichte. Als Verfasser von Versen für Kinder, bleibt
er mit seinen verschmitzten Gedanken und den augenzwinkernden
Ermahnungen an die Erwachsenen der unnachahmliche Ringelnatz, wie
das Publikum schmunzelnd feststellen konnte. Aber zu seinem Werk
gehören auch zum Ende des nur 51jährigen Lebens hin Verse von
Freundschaft und von Trauer. Einen Höhepunkt erreichte der Abend als
Horste Keitel einige von ihm als Gedichte der Todessehnsucht
empfundene Poeme vortrug und Diethart Rindermann die sichtlich
bewegten Zuhörer mit dem thematisch nahen Song „Knocking on heaven´s
door“ sanft in die Kultur der Gegenwart zurückführte. Hans Bötticher
hatte das Gymnasiums wegen eines Jungenstreichs verlassen müssen,
konnte aber viele Jahre später als Ringelnatz seinen Lehrer mit den
Versen würdigen: „Du hast die besten Werte meines Lebens / Mit
heißen Worten mir ins
Herz
geglüht.“ Diese Worte bekamen in der Aula einer Schule natürlich
einen besonderen Klang. Ein zwar gut unterhaltenes, aber auch sehr
nachdenkliches Publikum dankte dem Rezitator und seinem
musikalischen Begleiter („Gute Nacht, Freunde“) mit herzlichem
Beifall. Dass den Besuchern dieser Abend rd. 180 Euro Spende für den
Erhalt der kostenlosen Obstabgabe an die ESS-Schüler wert war, sei
nur noch am Rande vermerkt.
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